Die Klosteranlage St. Urban – barockes Chorgestühl und art-st-urban
Im äußersten Zipfel des Kantons Luzern liegt die ehemalige Klosteranlage St. Urban. In ländlicher Gegend des Luzerner Hinterlands, eingebettet in einen großzügigen Park, nimmt die Klosterkirche mit dem angrenzenden Konventgebäuden eine markante Präsenz ein. Somit fällt die Orientierung bei der Anreise leicht, egal ob mit der Schmalspurbahn der Aare-Seeland-Mobil Gesellschaft von Langenthal her kommend, ob mit Auto oder mit dem Fahrrad.
Klosterkirche – barocke Baukunst in St. Urban
Zwei große, kreuzgangähnliche Innenhöfe bilden das geistige Zentrum der ehemaligen Klosteranlage. Der südliche Hof wird an allen vier Seiten von dreistöckigen Konventsgebäuden umfasst. Der nördliche Hof hingegen findet an der Nordseite seinen Abschluss mit der barocken Klosterkirche, während die anderen drei Seiten ebenfalls mit Konventsgebäuden geschlossen werden. Der Westprospekt der gesamten Anlage findet seinen Höhepunkt in den zwei Kirchtürmen links und rechts der barocken Fassade.
Das geschnitzte Chorgestühl – Meisterstück Schweizer Barockplastik
Durch eine zurückgesetzte, offene Vorhalle gelangt man in die Kirche. Das weite Schiff ist zwar mit reicher Stuckonamentik geschmückt, strahlt aber aufgrund fehlender Farben eine kühle Helle aus. Den eigentlichen Schatz sieht man beim Betreten des Kirche – noch – nicht. Der Chor ist durch ein schmiedeeisernes Chorgitter abgetrennt, aber linkerhand ist ein Hinweisschild, das den Weg zum Chorgestühl weist. Unbedingt den Wegweisern folgen, es lohnt sich definitiv! In der Nähe des Hochaltars betritt man den Chorraum und sobald man sich dann nach rechts wendet beginnt das Staunen.
Staunen über das großartige zweireihiges Chorgestühl mit rund 50 Plätzen auf jeder Seite. Staunen über das aus Eiche und Nussbaum geschnitzte Meisterwerk der Schweizer Plastik aus der Barockzeit. Staunen über bekannte Motive und Szenen aus dem Alten und Neuen Testament der Bibel.
Detailreichtum im geschnitzten Chorgestühl der Klosterkirche in St. Urban
Das Figurenprogramm des Chorgestühls ist in verschiedene Themen und Bereiche gegliedert.
Ganz unten, ja sogar auf der Unterseite der Klappsitze findet man Halbplastiken mehr oder weniger prägnanter Köpfe. Oben abgeplattet dienten die Köpfe den Mönchen als Lehnhilfe während der stehend verbrachten Abschnitten der Gebetszeiten.
Figürlich und schnitztechnisch ein Paradies ist die Rückwand des Chorgestühls. Zu jedem Sitz der drei Stufen höher gelegenen zweiten Reihe gehört ein Tableau mit drei Halbreliefs. Die äußerst figurenreiche Motive zeigen Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament. Adam und Eva im Paradies und die Arche Noah sind vielleicht die populärsten Motive des alten Testaments. Aus dem Neuen Testament sind es natürlich viele Szenen aus dem Leben Jesu, die man aus den Sonntagslesungen im Jahreskreis der christlichen Kirchen kennt.
Die Weihnachtsgeschichte, das letze Abendmahl, die Kreuzigung auf Golgotha, die Auferstehung Christi, die Himmelfahrt oder das Pfingstwunder. Hätte mann Zeit und einen theologisch bewanderten Begleiter an der Seite, so würde man im Chorgestühl von St. Urban die komplette Heilsbotschaft des Christentums erkennen.
Zwischen den Bibelszenentableaus finden sich großartige Halbsäulen, die analog zu den Relieftableaus eine vertikale Dreigliederung aufweisen. Auf einem floralen Sockel folgen meist figürliche Darstellungen von Personen mit teilweise prächtiger, lockiger Haarpracht. Der obere Abschluss ist wieder floral, einzeln auch mal mit Putten. Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen die Vollplastiken an den, dem Schiff zugewandten Rückwänden.
Mit dem durchlaufenden Fries über den biblischen Rückwänden ist es mit der Figürlichkeit noch nicht vorbei, denn auf dem Fries stehen als Vollplastiken die zwölf Apostel und inmitten von ihnen Jesus Christus und die Gottesmutter Maria. Zwischen ihnen tummeln sich in üppig geschnitzten Jagd- und Ernteszenen abermals Putten.
Wer gefallen an solch reich geschnitzten Chorgestühlen hat, dem sei auch ein Besuch in der Kartause Ittingen empfohlen.
Moderne Kunst im Klostergarten
Je nachdem aus welcher Richtung man den Weg zur Klosterkirche eingeschlagen hat, führte dieser entweder direkt durch ein Torhaus und über den Kirchenvorplatz oder eben durch die weitläufigen Grünanlagen rund um das Kloster, die während der aktiven Zeit des Klosters der Nahrungsmittelproduktion gedient haben dürften. Heute dient dieser grüne Park rund um den Klosterkomplex als Schaugelände für eine reich bestückte Skulpturenschau der „art-st-urban“. Diese Transformation und die Verknüpfung vom Alten zum Neuen ist einer privaten Initiative von Heinz und Gertrud Aeschlimann-Kohler zu verdanken.
Seit 2005 lohnt ein Besuch in St. Urban doppelt. Im Ausstellungspark der sich über die Klosterummauerung hinaus in die Landschaft ausdehnt, findet man wetterfeste Großplastiken nationaler und internationaler Künstler.
Die Propheten von Zeng Chenggang
Eine dieser Großplastiken steht direkt vor der Westfassade des Klosterkonvents. Sie stammt von dem chinesischen Künstler Zeng Chenggang und zeigt von links nach rechts Sokrates, Konfuzius, Laotse, Buddha, Jesus Christus und Karl Marx. Weiterhin befindet sich in der Gruppe noch der Stein dr Weisen und eine Platte mit zwei großen Fußabdrücken – es ist quasi ein Platz frei gelassen, den man selber einnehmen kann. Doch der Künstler war wohl der Meinung, dass derjenige, der den Platz frei gemacht hat, große Fußstapfen hinterlassen hat, in die man noch reinwachsen muss. Dieses Ensemble von Zeng Chenggang trägt den Namen die Propheten.
Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass ein sich ein Besuch in St. Urban lohnt und man dort ein paar schöne Stunden verbringen kann.