Sechseläuten
Es gibt in der Schweiz das eine oder andere Großereignis, dem eine Liveübertragungen im Schweizer Fernsehen SRF zuteil wird. Abgesehen von den Klassikern wie Sport, Show und Politik finden sich auch kulturelle Veranstaltungen im Portfolio der schweizer Fernsehmacher. Schon lange mit dabei ist das Züricher Sechseläuten – ganz schlicht ein Frühlingsfest und doch auch viel viel mehr.
Drei wesentliche Bestandteile prägen das Sechseläuten, das üblicherweise am dritten Montag im April stattfindet (es gibt Ausnahmen, deswegen, den Termin vor einem Besuch überprüfen). Beim Sechseläuten ist mehr oder weniger ganz Zürich auf den Beinen, die Geschäfte haben Nachmittags geschlossen und es herrscht eine großartige Volksfeststimmung in den Gassen rund um die Limmat.
Vorbereiten lohnt sich
Zur Vorbereitung des Besuchs lohnt ein Blick auf die Homepage des Zentralkomitees der Züricher Zünfte, das sich für die Veranstaltung des Sechsläuten verantwortlich zeigt. Man erfährt dort auch ein bisschen zur Geschichte, die mehrere Jahrhunderte zurück geht, in die Zeit als das städtische Leben von den Handwerkszünften geprägt wurde.
Die drei Teile des Sechseläutens
Zwei Bestandteile des Sechseläuten sind für Besucher interessant. Der historische, farbenprächtige Umzug durch die Stadt und die Verbrennung des Bööggs – beide sollen gleich noch näher betrachtet werden. Der dritte Aspekt, die Empfänge und die Kultivierung des Zunftwesens findet nur für einen erlauchten Kreis hinter verschlossenen Türen statt, ist also kein Thema, das man als Schweizreisender näher in Betracht ziehen kann.
Der Zug der Zünfte
Beim Umzug durch die Züricher Innenstadt erlebt man die überbordende Festpracht. Tausende Teilnehmer in farbenprächtigen Kostümen. Geordnet nach Zünften sind die Gruppen unterwegs. Sie werden begleitet durch je eine Musikkapelle – das Zunftspiel – die auffallend flotte Stücke spielt. Das passt natürlich sehr gut zu dem Tempo, mit dem die Umzugsteilnehmer unterwegs sind – gemütliches Schlendern ist das nicht gerade. Bisweilen führen die Zünfte auch aufwändige Motivwagen mit sich, die von Pferden gezogen werden. Und dann gehört zu jeder Zunft natürlich eine Reitergruppe, die im weiteren Festablauf nochmals eine wichtige Rolle spielt. Mal davon abgesehen, dass historische Reiter den Umzug beim Sechseläuten optisch bereichern.
Frühlingsgefühle beim Frühlingsfest
Bereits vor Beginn des Umzugs sind mir Frauen mit großen Blumenbouquets aufgefallen. Als es immer mehr wurden, habe ich nachgefragt und als Antwort erfahren, dass die Frauen den am Umzug teilnehmenden Männer die Blumen überreichen, natürlich nur denen die in der Gunst der Frauen stehen. Der Mann, der am Ende am meisten Blumen hat ist quasi der King, meinten die Damen scherzend. Jetzt muss man wissen, dass entlang des ganzen Umzugsweges auf jeder Seite zwei Bankreihen mit nummerierten Sitzen aufgestellt sind. Ein Sitzplatz in der ersten Reihe kosten 20 Franken, einer in der zweiten Reihe 10 Franken und wer dahinter steht zahlt nichts. In der ersten Reihe sitzen zu 95% Frauen, alle mit mehr oder weniger großem Blumenvorrat. Und dann geht es los. Wie die Bienen schwärmen sie aus um ihren Günstlingen Blumen zu überreichen, selbstverständlich begleitet von ein paar Busis links und rechts. Bei manchen Männern stehen die Frauen Schlange. Lange gebummelt wird aber dabei nicht, denn wie schon oben erwähnt – der Umzug ist flott unterwegs.
Es ist ein ungewohntes Erlebnis, dass Frauen die überwiegend im Mütteralter sind, ihren Frühlingsgefühlen so freimütig Ausdruck verleihen. Vielleicht liegt es daran, dass das Sechseläuten das Züricher FRÜHLINGSFEST ist.
Sechseläutenplatz
Nach über drei Kilometern Umzugsweg gelangen die Gruppen auf den Sechseläutenplatz (der Platz heißt ganzjährig so, der Name steht auch in allen Karten). Großräumig ist der Platz abgesperrt. Zutritt ist nur den am Umzug teilnehmenden Zunftmitgliedern gestattet, die sich um eine kreisrunde Arena platzieren. In der Mitte des Platzes steht ein rund 10 Meter hoher Reisighaufen, an dessen Spitze ein überdimensionaler Schneemann steht – der Böögg!
Der Böögg
Der zweite wesentliche Bestandteil des Sechseläuten Festes ist die Verbrennung des Böögg. Das Spektakel beginnt mit dem Anzünden des Reisighaufens – selbstverständlich live und im Detail ins Fernsehen übertragen. Kaum lodern die Flammen, schickt die erste Zunft ihre Reiterstaffel zum Umritt in die Arena. Das Zunftspiel spielt den Sechseläutenmarsch und mit rasendem Tempo galoppieren die Reiter um den Böck.
Ein wahrlich beeindruckendes Erlebnis, in dessen unmittelbaren Genuss die Zunftmitgliedern, allen voran die Kinder, kommen, die am Rande der Arena stehen. Für die draußen stehenden Zuschauer bleibt vor allem der Blick auf den brennenden Reisighaufen, an dem die Feuersbrunst immer weiter zum Böögg hochklettert.
Wie wird der Sommer?
Mit dem Entzünden des Feuers läuft die Zeit. Die Zeit, die prophetische Aussagen auf das Wetter im Sommer zulässt. Die Zeit, die das Feuer benötigt, bis es genau jenen Sprengkörper erreicht, der mit lautem Knall den Kopf des Bööggs vom Rumpf trennt. Während also die Zeit läuft, reitet eine Zunft nach der anderen ihre Runden in der Arena, lauthals angefeuert von den eigenen Zunftmitgliedern am Rand.
Der Böögg explodiert
Erste Kanonenkracher geben Hinweise, dass das Ende des Bööggs nahe ist. Gebannt verfolgen alle das Geschehen, die Reiter machen Pause und dann, mit einem ohrenbetäubenden Knall fliegt der Kopf vom Böögg herunter. Doch jetzt geht das Spektakel erst richtig los. Voll gespickt mit explosivem Material stiebt das Innere des Schneemanns auseinander und eruptive Feuerströme ergießen sich vom Böögg hinunter. Es kracht und wummert gar fürchterlich und bald steht oben auf dem Reisighaufen nur noch ein schauriges Gerüst, das einmal die Grundlage für einen fülligen, prächtigen Schneemann gewesen war.
Die Auguren haben natürlich genau in dem Moment ihre Uhren angehalten, als der Kopf explodierte. Ihnen obliegt es nun die Zeit zu deuten und das Wetter für den bevorstehenden Sommer vorherzusagen.
Sechseläuten, das Fest geht weiter
Die weiteren Reitergruppen begeben sich noch auf ihren Umritt, aber seit der Böögg gerichtet ist, ist die Spannung weg. Die Bevölkerung begibt sich ans Rechte Limmatufer, wo unzählige Buden zum Weiterfesten einladen. Die Zunftmitglieder gehen in ihrer Zunfthäuser (oft auch große Hotels mit Saalbewirtung) und feiern im geschlossenen Rahmen.
Ein Besuch beim Sechseläuten – Tipps:
Der historische Umzug beim Sechseläuten ist allemal sehenswert. Ein Besuch ist eigentlich mit wenig Aufwand möglich und Stehplätze ab der dritten und vierten Reihe gibt es an vielen Stellen. Um die Sitzplätze muss man sich im Voraus bemühen (Infos dazu auf der Internetseite zum Sechseläuten). Wie man die Unmengen Blumen organisiert, ist mir schleierhaft. Der Umzug dauert drei Stunden und die letzten Zünfte erreichen des Sechseläutenplatz erst, wenn der Böögg schon brennt. Als Zuschauer muss man sich also entscheiden, ob man den Umzug bis zum Ende anschauen will oder ob die Bööggverbrennung wichtiger ist. Nur soviel sei gesagt: einen richtig guten Platz gibt es am Sechseläutenplatz nicht. Den Böögg selber sieht man auch von weiter hinten, die Kracher hört man allemal, nur den Umritt in der Arena sieht man halt am besten im Fernsehen oder auf einer Großleinwand. ABER: die Atmosphäre rund um den Platz, die fiebernde Spannung der Züricher die alle gebannt der Feuersbrunst folgen, das sollte man sich nicht entgehen lassen und deshalb ist mein Tipp: spätestens gegen 17:30 Uhr den Umzug verlassen und zur Bööggverbrennung gehen.
Homepage des Zentralkomitees der Züricher Zünfte mit weiteren wertvollen Informationen