Ein Besuch im Stiftsbezirk St. Gallen lohnt mit Kirche und Bibliothek
St. Gallen beherbergt im Zentrum der Altstadt mit dem Stiftsbezirk des Klosters und der berühmten Stiftsbibliothek, zusammen ein UNESCO Weltkulturerbe der Menschheit.
Nicht immer war es ein so harmonisches Nebeneinander. Bis zur Säkularisation durch Napoleon im Jahre 1803 bestanden direkt nebeneinander zwei getrennte Staatswesen. Die Fürstabtei, also das Kloster und der stetig nach Unabhängigkeit strebende Stadtstaat. Mit einer neun Meter hohen Mauer markierten die beiden politischen Gegenspieler die Grenze zwischen ihren Einflussbereichen. Heute spürt man davon nicht mehr viel. Von den mit vielen Boutiquen besetzten Einkaufsstraßen ist es nur ein Katzensprung zum Klosterareal, dass man vor allem in den Morgenstunden noch für sich alleine hat und in dem die Geschichte von über 1000 Jahren Kloster St. Gallen atmet.
Stiftsbibliothek übersteht mit Glück die Säkularisation
Das Kloster in St. Gallen wurde zwar mit der napoleonischen Säkularisation bzw. des damit verbundenen Reichsdeputationshauptschlusses nach einer über 1000-jährigen Geschichte aufgelöst und politisch zerschlagen, aber die Bibliothek hatte Glück im Unglück und blieb unversehrt erhalten. Dies betrifft nicht in erster Linie den wunderschönen Bibliothekssaal – sondern vor allem die Bestände (ein wesentlicher Unterschied zu den Klosterbibliotheken im süddeutschen Raum, die von den neuen, protestantischen Herren im Prinzip eliminiert wurden). So ist nicht nur der Stiftsbezirk, also das ehemalige Herrschaftsgebiet des Klosters zum Weltkulturerbe der UNESCO ernannt, sondern die Bestände des Stiftsarchivs wurden in die Liste des «Memory of the World» (Weltdokumentenerbe) aufgenommen, ebenfalls ein von der UNESCO ausgesprochener Status der die Bedeutung und die Schutzwürdigkeit dieses Kulturgutes hervorhebt.
Der Kanton St. Gallen schreibt auf seiner Homepage (www.sg.de) dazu „Das Stiftsarchiv St.Gallen ist das älteste Klosterarchiv des Abendlandes. Es verdankt seine Erhaltung einer seit mehr als 1200 Jahren ununterbrochenen Aufbewahrungstradition. Seine Bestände reichen bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts zurück und enthalten über 850 Original-Urkunden aus der Zeit vor dem Jahr 1000. Darin finden sich die Ersterwähnungen von etwa tausend Städten, Dörfern und Weilern in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Frankreich.“
Einen Teil dieser einmaligen Bestände kann man im historischen Bibliothekssaal aus dem 18. Jahrhundert bewundern. In Sonderausstellungen sind in besonderen Schauvitrinen immer wieder Kostbarkeiten zur Ansicht ausgestellt. Ansonsten ruhen viele tausend Bücher in den historischen Schränken, in denen sie nach Größe einsortiert sind – also so, dass der Platz möglichst effizient genutzt wird. Die Raumwirkung, mit dem Bewusstsein von 1000-jährigen Wissen des christlichen Abendlandes umgeben zu sein, ist gewaltig. Ideenreich zeigten sich schon die Erbauer der Bibliothek, die raffiniert den Katalog und den Inhalt der einzelnen Bücherschränke in die Regalkonstruktionen integrierten. Bei einer Führung sieht man mehr.
Kurioses in der Stiftsbibiliothek
Daneben gibt es auch noch einige Kuriositäten. Die Mumie zum Beispiel. Da steht ein Sarkophag samt Inhalt, der im 19-Jahrhundert von den damaligen Herren der Bibliothek käuflich erworben wurde. Ein Zeugnis der damals weit verbreitenden Sammelleidenschaft und der aufkeimenden Begeisterung für Orient und Ägypten. Ein anderes Kuriosum ist der riesige Globus, der vom Stil her mit den harmonischen Naturholzregalen bricht. Im fehlt tatsächlich das Alter, den es ist eine höchst aufwändige Rekonstruktion des Originals, das ab dem 16. Jahrhundert tatsächlich zum Kloster gehört hat, aber inzwischen im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich beheimatet ist. Nach Zürich kam der Globus übrigens bereits 1712 im Zuge einer kriegerischen Auseinandersetzung – sogenanntes erbeutetes Kulturgut. Auch wer genau hinschaut, sieht auf einigen der Säulen, welche die Regale begrenzen, kleine Putten in Nischen stehen. Zwölf Stück sind es insgesamt und sie verkörpern verschiedene Berufe – um diese zu erkennen braucht es allerdings etwas Phantasie. Der Putto mit dem Totenkopf steht beispielsweise für die Bildhauerei. Weiterführende Informationen gibt’s natürlich im Internet und direkt auf der Seite der Stiftsbibliothek www.stibi.ch
Ein Besuch der Stiftskirche sollte natürlich beim Besuch des Stiftsbezirks nicht fehlen. Schließlich ist sie das weithin sichtbare Wahrzeichen.